Drei kleine Punkte

Drei kleine Punkte – FÜR BERLIN

Diesen Text habe ich gestern spontan übersetzt, übersetzt um meine Tränen für Berlin in konstruktive Bahnen zu lenken. Ich kenne Berlin, ich habe Freunde dort. Ich habe schon schöne und schwierige Zeiten in Berlin verbracht. Und der Schreck, die Brutalität fahren auch in meine Knochen und doch ist das nur eine Seite des Lebens. Mich berührt die Kraft und die Stärke solcher Menschen, wie Noah Reich, die sich mit ihrer Verletzlichkeit persönlich zeigen.

Der Blog erschien am 29. Juni, den Tag des Anschlages in Instanbul. Trump war noch nicht gewählt, der Terroranschlag in Cannes und vieles Weitere noch nicht passiert.

Drei kleine Punkte … (ein Text von Noah Reich, erschienen in Englisch auf Medium)

Heute habe ich um drei kleine Punkte gebetet
Heute habe ich um drei kleine Punkte gebettelt.
Heute hing meine Zukunft von drei kleinen Punkte ab.

Heute in der Mittagspause, bei der Geburtstagsfeier eines Kollegen, erhielt ich eine Nachricht von meinem Bruder.
„Es passiert gerade etwas am Flughafen. Ich liebe Euch.“

Zuerst dachte ich gar nichts weiter, aber dann schnappte ich schnell mein Telefon.
„Was meinst Du?“ antwortete ich.
Ich wartete auf das Erscheinen der drei kleinen Punkte, die anzeigen, dass er zurückschreibt.

Nichts.
Mein Herz begann zu rasen. Ich ging auf Twitter und suchte „Istanbul“. Im ersten Tweet, der erschien, las ich „zwei Explosionen im Flughafen Istanbul gemeldet.“

Ich wurde taub.

72 Stunden vorher, hatte ich meinen Bruder und seine Freundin Kristine zum Burbank Flughafen gebracht, um eine Europareise zu machen, auf die sie sich seit Monaten gefreut hatten. Kristine hat gerade ihren Abschluss an der UCLA gemacht und mein Bruder eine Fernsehsendung zu Ende gebracht, an der er gearbeitet hat. Der Zeitpunkt konnte für diese Reise nicht perfekter sein, abgesehen davon, dass sie am Abend des Game of Thrones Finale ohne Wi-FI zu einem zweiwöchigen Abenteuer aufbrachen.

„Wir sind in der Türkei gelandet. Langer Flug, habe das meiste verschlafen. Wir werden heute Nacht in der Lounge bleiben und morgen die Stadt erkunden“ – Bruder

„Du solltest Dich ausruhen und GoT schauen, solange du Wi-Fi hast“ – Ich

Ein paar Minuten später, schickte mein Bruder meiner Mutter und mir ein Foto eines Mannes vor seinem Laptop, das ein Schiff zeigte.
„Dieser Kerl schaut die Episode von letzter Woche“ – Bruder

„Naja, vielleicht macht er dann gleich mit der Episode von gestern weiter“ – Mutter

Ein paar Stunden waren vergangen. Mein Telefon meldete sich. „habe Mutters Ratschlag befolgt und die nächste Episode mit ihm geschaut. Er ist ein russischer Kerl, der kein Sterbenswörtchen English spricht, also hatte er die russischen Untertitel an. Wir haben keine Sprache geteilt, aber nach jeder verrückten Entwicklung ein gemeinsames Luftschnappen und tsk tsk tsk artige Reakionen. Lol“ – Bruder

An meinem 8. Geburtstag, wurden mein Bruder und ich mit dem Messer bedroht und meine Air Jordan Schuhe geraubt. Mein Bruder verfolgte den Dieb und wurde mitten auf einer großen Kreuzung von einem Auto angefahren, das das rote Licht überfahren hatte. Das Gefühl meinen Bruder mitten in der Kreuzung liegen zu sehen, verfolgt mich mein ganzes Leben. An diesem Tag wurde ich eines Paares Schuhe und meiner Unschuld beraubt. Drei Jahre später war die Columbine Schießerei. Ich war 10 Jahre alt.

Mein Bruder und ich gingen gemeinsam unseren Schulweg und er brachte mich zum Eingang der Grundschule, bevor er sich weiter auf den Weg zur Mittelschule machte, die mehrere Straßenblöcke entfernt war. Jeden Tag fürchtete ich, dass sich eine ähnliche Szene in seiner Schule abspielen könnte. Jeden Tag um 15:30 überkam mich eine Welle der Erleichterung, als er kam, mich abzuholen.

Diese Angst, die vor Jahrzehnten als Pflänzchen in mir gesetzt wurde, wurde immer wieder begossen von 9/11 bis 7/7. Im Laufe meines Lebens, musste ich der leisen Stimme in mir, die in meinen Eingeweiden aufkam Raum geben, ob es sicher war ins Kino zu gehen, in ein Konzert oder ein Restaurant. In den letzten Monaten, waren Schießereien an Orten, die ich zu meinen Heimatorten zähle. In meiner Alma Mater, UCLA, und in einem Schwulenclub. Wenn es um das Gefühl geht, sich nicht sicher zu fühlen, habe ich genug Treibstoff, um mich für mein restliches Leben am Laufen zu halten und das war schon vor heute.

Als ich auf eine Antwort meines Bruders wartete, ging ich panisch den Ventura Boulevard auf und ab. Ich dachte an die panischen Textnachrichten, die Mina Justice von ihrem Sohn Eddie in der Nacht der Pulse Club Schießerei bekommen hatte. Ich dachte an die Angst, die mein Bruder und Kristine am Flughaben haben mussten, wenn sie Schüsse hörten und die Fenster der Lounge auf Grund der Explosionen zerbrachen. Ich dachte an den Anruf, den ich machen würde, um meine Mutter über alles zu informieren. Ich dachte an den 8-jährigen Buben, der vor Jahren mitten auf einer Kreuzung stand, und sich vorstellen musste, wie das Leben ohne seinen besten Freund aussehen würde.

Und dann waren sie da.

Die drei kleinen Punkte.

„Wir hörten Schüsse und eine Explosion. Wir sind in einem Zimmer von jemanden im Hotel versteckt. Ich halte dich so gut ich kann am Laufenden“ – Bruder

Mein Bruder und Kristine flüchteten aus der Flughafen Lounge, wo sie sich versteckt hatten, in dem sie von Schutz zu Schutz über zerborstenes Glas krabbelten. Sie machen sich auf den Weg zum angeschlossenen Hotel, wo sie an eine Tür nach der anderen anklopften bis jemand aufmachte. Es war ein Paar aus Spanien, die auf Hochzeitsreise waren. Nach mehreren Stunden, wurden sie aus dem Flughafen wieder über zerborstenes Glas, getrocknetes Blut und dem Geräusch heulender Sirenen evakuiert.

Ich bin dankbar, dass mein Bruder und Kristine in Sicherheit sind, aber mein Herz zerbricht, wenn ich an hunderte Familien denke, die heute nicht so glücklich waren. Es erschreckt mich, mir vorstellen zu müssen, wie es heute in diesem Terminal gewesen sein musste und es schaudert mich zu wissen, wie viel Glück Adam und Kristine gehabt hatten.

Ich bin krank und müde davon, Angst zu haben. Ich will nicht in einer Welt leben, wo ich meine Sicherheit an jeder Ecke und die Absichten derer um mich herum in Frage stellen muss. Ich will nicht in einer Welt des Brexit und Donald Trump leben, wo die treibende Kraft des Lebens, Angst ist.

Ich will in einer Welt leben, wo ein beliebiger russischer Typ, der kein Wort Englisch spricht, auf die Seite rutscht und Dich neben sich sitzen lässt, um das Finale des Game of Thrones zu schauen. Ich will in einer Welt leben, wo ein Paar aus Spanien auf Hochzeitsreise Ihre Tür inmitten eines Terroranschlags öffnet und Dir Schutz gewährt.

Trotz allem, was heute passiert ist, ist das die Welt, in der wir leben, an die ich glaube.